Liebe Leserinnen und Leser,
Musik vertreibt Trübsinn, macht Menschen fröhlich und gesellig. Das erkannte schon Martin Luther, der auch Musiker war. Er hatte bereits in jungen Jahren eine musikalische Ausbildung und sang im Chor. Um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, zog er als Kurrenden-Sänger von Haus zu Haus. Leidenschaftlich gern sang er und spielte dazu auf seiner Laute (Vorläuferin der Gitarre), auch in der Familie. Wegen seiner schönen Stimme wurde er die „Wittenbergische Nachtigall“ genannt. „Die Musik ist die beste Gottesgabe“, so Luther. „Nichts, so sage ich, nichts ist kräftiger als die Musik.“
Um die frühchristliche Tradition der singenden Gemeinde wieder zu beleben, forderte er „deutsche Gesänge, die das Volk unter der Messe singe“. Denn für das Kirchenvolk war der übliche Gottesdienst in lateinischer Sprache vor allem „Hokus Pokus“. Das Sprichwort ist eine populäres Missverstehen der priesterlichen Abendmahlsworte „hoc est corpus“, auf deutsch „das ist der Leib (Christi)“.
Luther brachte das Evangelium fürs Volk verstehbar auch über den Gemeindegesang zurück in den Gottesdienst; ganz im biblischen Sinn (Kolosser 3,16): „Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen: Lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit; mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen.“
Dafür komponierte Martin Luther viele Lieder. Etliche wurden zu Klassikern, wie „Vom Himmel hoch, da komm ich her“, „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ und natürlich die Reformationshymne „Ein feste Burg ist unser Gott“. Bis heute ist er der Komponist mit den meisten Liedern im evangelischen Gesangbuch.
Luther machte die Gemeinde wahrhaft mündig: Er legte ihr mit seinen Liedern die frohe Botschaft in den Mund. Nach Jahrhunderten der Bevormundung durch einen übermächtigen Klerus kam die Gemeinde zu Wort und Selbstbewusstsein. Wer etwas zu singen hat, der hat auch was zu sagen.
Dazu gibt es eine Anekdote aus dem Jahr 1533: Der lippische Landesherr Simon V. wollte die Reformation in seinem Herrschaftsgebiet unterdrücken und forderte das auch vom Rat der Stadt Lemgo. So schickte deren Bürgermeister Ratsdiener in alle Kirchen seiner Stadt, um die singenden Abtrünnigen zur Ordnung zu rufen. Doch die Diener kamen zurück und meldeten: „Herr Bürgermeister, sie singen alle.“ Darauf rief der: „Ei, es ist alles verloren!“ und trat zurück.
Heute ist vieles gewonnen durch das Erbe des volksnahen Musikers Luther. Denn Musik kennt keine Grenzen, auch keine konfessionellen. In evangelischen und katholischen Gemeinden singt das Kirchenvolk in Gottesdiensten und Chören. Hier wie dort gibt es Kirchenmusiker*innen und viele gemeinsame Musikprojekte. So haben wir etwa einen ökumenischen Kirchenchor. Beim letzten Kirchenfest sangen 4-Teilchöre aus Erbach, Vielbrunn und Micheltstadt in einem großen Chor miteinander. Das zeigt, wie an der Gemeinde orientierte Kirchenmusik verbinden kann. Es macht Hoffnung, dass es einmal zum guten Ton gehören wird, nicht nur ökumenisch zu singen, sondern auch ökumenisch Abendmahl miteinander zu feiern. Denn der Herr des Abendmahls ist Jesus Christus, nicht etwa der Pfarrer oder der Priester. Und dieser Herr lädt ein an seinen Tisch – dich und mich.
Ihr und euer Pfarrer Frank Seeger